Neue Erkenntnisse über kindliches Verhalten und bewährte Strategien für die Klassenleitung (Newsletter 6/2025)
Hallo ihr Lieben,
Der Juni ist fast schon vorbei und damit beginnen für den ein oder anderen schon die wohlverdienten Sommerferien. Zu diesen Zeiten erinnere ich mich gerne an meine Zeit in Berlin zurück und die Vorfreude auf sonnige Nachmittage im Park, Surfen in Frankreich, Beachvolleyball und Straßenfeste.
In diesem Newsletter erfährst du…
…warum auch liebevoll erzogene Kinder manchmal schubsen,
…einen wertvollen Einblick in meine erfolgreichsten Strategien für die Klassenleitung und
…warum wir bei Schola Vera einen völlig eigenen Weg gehen, der sich von Montessori und Waldorf unterscheidet.
Wenn Kinder schubsen: Ein neuer Blick auf vermeintlich problematisches Verhalten

Früher dachte ich immer, dass Kinder, die andere schubsen, selbst Gewalterfahrungen gemacht haben müssen – sei es durch körperliche Erfahrungen oder durch Medien. Heute, als Mutter einer fast dreijährigen Tochter, kann ich das etwas differenzierter betrachten.
Mila lebt in einem liebevollen Umfeld ohne Gewalt. Die einzigen Medien, die sie konsumiert, sind kurze Videos von der Oma und Conni-Hörbücher. Dennoch kam es heute Morgen zu einer Situation, die mich zum Nachdenken brachte.
Wir hatten wunderbaren Spaß auf dem Spielplatz-Trampolin. Mila hüpfte, ich ließ sie durch meine Sprünge hoch und runter fliegen, ihre Kuscheltiere wirbelten durch die Luft – wir lachten beide herzlich! Dann kam ein Junge in ihrer Größe dazu, der offenbar auch mitmachen wollte. Für einen kurzen Moment hatten beide Spaß, doch dann sah ich, wie Milas Lachen verschwand. Sie zog sich zurück.
Ich schlug vor, zum Kletterhaus zu gehen, aber der Junge folgte uns. Als er oben im Haus ankam und näher kam, schubste Mila ihn weg.
Mein erster Impuls war die typische Belehrung: „Schubsen ist nicht in Ordnung!“ Doch dann hielt ich inne und versetzte mich in ihre Situation. Jemand, den sie nicht kannte, war in ihre heile Welt eingedrungen. Er hatte unser gemeinsames Spiel gestört und kam zu nahe, als sie sich zurückziehen wollte. Alles, was sie wollte, war, dass er verschwindet. Ohne die Fähigkeit zur verbalen Konfliktlösung blieb ihr nur die körperliche Handlung.
Also nahm ich sie fest in den Arm und sagte mit ruhiger Stimme, dass Schubsen nicht nett ist und den Jungen traurig gemacht hat. Aber neben der Belehrung spendete ich auch Trost – denn sie hatte aus Verzweiflung gehandelt, nicht aus Boshaftigkeit.
Als Lehrerin habe ich irgendwann auch gelernt, mich nicht nur auf die Handlung zu fokussieren, sondern das Kind dahinter zu verstehen. Einmal sagte mir ein Erstklässler, der regelmäßig andere schlug: „Wenn ich wütend werde, dann merke ich das im Bauch. Es qualmt und dampft in meinem Bauch und mein Gesicht macht wütende Grimassen. Dann schlage ich.“
Mit diesem Kind vereinbarte ich damals, dass er mir sofort Bescheid sagen sollte, wenn er die Wut im Bauch spürt – bevor sie in seine Hände und Fäuste gelangt. Es klingt zu einfach, um wahr zu sein, aber es funktioniert. Unsere Aufgabe ist es, Kindern Wege aufzuzeigen und mit ihnen zu üben, wie sie mit überfordernden Situationen umgehen können – anstatt nur die Symptome zu bekämpfen.
Klassenleitung: Was bei mir funktioniert

Neulich kam eine Kollegin zu mir und fragte: „Wie machst du das eigentlich, dass deine Klassen immer so entspannt sind?“ Ich musste schmunzeln, denn ein Patentrezept habe ich natürlich nicht. Über die Jahre habe ich immer wieder Neues ausprobiert, verändert und verbessert, und dabei ein paar Dinge entdeckt, die wirklich den Unterschied machen.
Die Klassenleitung ist weit mehr als nur Organisationsarbeit und Unterrichtsdurchführung. Sie ist das Herzstück einer funktionierenden Lerngemeinschaft, in der sich jedes Kind gesehen, wertgeschätzt und sicher fühlt.
Zwei Dinge machen für mich den Unterschied:
Echte Beziehungen aufbauen. Nicht das oberflächliche „Wie war dein Wochenende?“, sondern das aufmerksame Bemerken kleiner Veränderungen. „Mir ist aufgefallen, dass du heute besonders nachdenklich wirkst. Möchtest du mir erzählen, was dich beschäftigt?“ Manchmal reicht schon diese eine Frage, um ein Kind zu erreichen. Dabei helfen mir Rituale wie unser tägliches Gefühlswetter oder unser „Herz und Blitz“-Ritual zum Wochenabschluss.
Weniger Differenzierungsstress, mehr Freiräume. Ich bin kein Fan von Differenzierung, denn meiner Meinung nach musst du nur differenzieren, wenn dein Unterricht wenig Freiräume zulässt. Stattdessen öffne ich meinen Unterricht und lasse eine natürliche Differenzierung entstehen. Meine Aufgabenstellungen sind offen formuliert, die Kinder wählen ihre Lernprodukte selbst – so hat kein Kind das Gefühl, auf einem „niedrigeren Niveau“ zu arbeiten.
Diese Herangehensweise macht meine Arbeit als Klassenlehrerin so viel entspannter – für die Kinder und für mich. Falls du neugierig auf mehr konkrete Strategien bist, habe ich dazu einen ausführlichen Blogartikel geschrieben: Klassenleitung Grundschule: Wie du eine starke Klassengemeinschaft aufbaust und dabei entspannt bleibst
Montessori, Waldorf oder etwas ganz anderes?
„Welche Richtung hat eure Schule? Eher Montessori oder Waldorf?“ – Diese Frage höre ich ständig, wenn ich von Schola Vera erzähle. Manchmal frage ich mich, ob die Menschen wirklich verstehen, was diese Begriffe bedeuten, oder ob sie einfach nur signalisieren: „anders als normale Schule“.

Beide Ansätze haben wertvolle Elemente. Montessori mit ihrer vorbereiteten Umgebung und dem Vertrauen in die Selbstbestimmung der Kinder. Waldorf mit der wundervollen Integration von Kunst, Handwerk und Naturverbundenheit. Doch beide folgen letztendlich von Erwachsenen erdachten Systemen mit vorgegebenen Entwicklungsvorstellungen.
Bei Schola Vera gehen wir einen anderen Weg: Wir vertrauen vollständig auf die natürliche Lernfähigkeit der Kinder, ohne vorgeschriebene Materialien oder Entwicklungsphasen. Unser Ansatz basiert auf drei Kernprinzipien:
- Freiheit: Nicht die Freiheit, alles zu dürfen, sondern die Freiheit, herauszufinden, wer man wirklich ist. Das natürliche Spiel der Kinder steht im Zentrum.
- Vertrauen: Wir vertrauen darauf, dass Kinder lernen, was sie brauchen, wenn sie es brauchen – ohne äußeren Druck oder künstliche Zeitpläne.
- Begeisterung: Echtes Lernen geschieht durch Staunen und Freude. Begeisterte Kinder brauchen keine externe Motivation.
Anders als Montessori trennen wir das Lernen nicht in individuelle Aktivitäten mit spezifischen Materialien auf. Kinder lernen gemeinsam, voneinander, durch geteilte Entdeckungen. Anders als Waldorf folgen wir keinen Entwicklungszeitplänen oder verbieten bestimmte Aktivitäten. Wenn ein Kind tiefe Bedeutung in einem Bilderbuch beim Spielen findet, ehren wir diese Wahl.
Mehr über unseren Ansatz erfährst du in meinem neuen Blogartikel bei Schola Vera: Montessori, Waldorf oder etwas ganz anderes? Ein Eltern-Leitfaden für Bildungsentscheidungen
Ein Gedanke zum Schluss
Der Sommer steht vor der Tür und mit ihm die Zeit für entspannte Momente mit unseren Kindern und Schülern. Vielleicht ist das die perfekte Gelegenheit, einmal innezuhalten und zu beobachten: Was passiert, wenn wir Kindern wirklich freien Raum geben? Was entdecken sie? Womit beschäftigen sie sich, wenn niemand sagt, was sie tun sollen?
Diese Beobachtungen könnten zu den wertvollsten Erkenntnissen werden, die wir als Pädagoginnen machen können. Ich wünsche dir wundervolle Sommertage voller Entdeckungen!
Deine Tatiana
P.S. Ich freue mich auch über dein Feedback oder Fragen zum Newsletter per E-Mail. Hast du bereits Unterrichtsmaterial von mir gekauft und im Unterricht eingesetzt? Dann freue ich mich über deine Bewertung auf Eduki!
Meine Unterrichtsmaterial-Empfehlungen für dich:
Kennst du schon mein Ritual zum Wochenabschluss “Herz und Blitz”? Erfahre mehr und lade dir hier kostenlos die Karten herunter: https://eduki.com/de/material/1569066/herz-und-blitz-dein-achtsamer-wochenabschluss-fuer-die-grundschule
Sie ist fertig! Unterrichtseinheit Symmetrie für die Klassen 3 und 4. Perfekt für die letzten Stunden vor den Sommerferien.
➡️ Hier geht es zum Material für die Klassen 3 und 4: https://eduki.com/de/material/1566105/unterrichtseinheit-symmetrie-mathematik-klasse-3-und-4
➡️ Dazu gibt es auch ein Materialpaket für die Klassen 1-4: https://eduki.com/de/material/1566937/materialpaket-symmetrie-klasse-1-4
Dieses Material habe ich schon länger und immer wieder zum Schuljahresabschluss wird es besonders relevant. Wie reflektiere ich das Schuljahr mit meiner Klasse? Doch im E-Book Reflexionen in der Grundschule geht es nicht nur um den Abschluss des Schuljahres. Es geht um Reflexionen als Schlüssel zu einem individuellen, bedürfnisorientierten Unterricht.
➡️ Hier geht es zum Material: https://eduki.com/de/material/1306832/materialpaket-reflexionen-in-der-grundschule
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