12 bewährte Rituale in der Grundschule: So schaffst du eine strukturierte und entspannte Lernumgebung
Was dich erwartet
Einleitung
Rituale sind das Herzstück eines gelungenen Grundschulalltags. Sie geben Kindern Sicherheit, Orientierung und schaffen eine vertrauensvolle Lernumgebung. In diesem Artikel teile ich meine Erfahrungen mit bewährten Ritualen, die mir als Klassenlehrerin geholfen haben, einen entspannten und strukturierten Unterrichtsalltag zu gestalten. Von morgendlichen Routinen über ein Helfersystem bis hin zum Wochenabschluss – hier findest du praxiserprobte Ideen, die du direkt in deiner Klasse umsetzen kannst.
Warum Rituale so wichtig sind

Rituale sind weit mehr als nur nette Gewohnheiten im Klassenzimmer – sie sind pädagogisch wertvolle Instrumente, die auf mehreren Ebenen wirken. Sie geben Kindern in einer oft hektischen und unübersichtlichen Welt Halt und Orientierung. Besonders für Grundschulkinder, die noch dabei sind, sich in der Schulwelt zurechtzufinden, bieten Rituale einen verlässlichen Rahmen.
Durch wiederkehrende Abläufe wissen die Kinder, was auf sie zukommt und können sich sicher fühlen. Diese Sicherheit ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Lernen. Wenn Kinder nicht ständig überlegen müssen, was als Nächstes passiert oder wie sie sich verhalten sollen, haben sie mehr kognitive Kapazitäten für das eigentliche Lernen frei.
Rituale fördern zudem die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Kinder. Wenn Abläufe klar und verinnerlicht sind, können Kinder diese zunehmend eigenständig durchführen und übernehmen so mehr Verantwortung für ihr Lernen und den Klassenalltag.
Nicht zuletzt stärken gemeinsame Rituale das Wir-Gefühl und die Klassengemeinschaft. Sie schaffen verbindende Erfahrungen und vermitteln Werte wie gegenseitige Unterstützung, Wertschätzung und Rücksichtnahme – Grundlagen für ein positives Lernklima.
Was bei Ritualen zu beachten ist
Ich schreibe diesen Artikel aus der Perspektive als Klassenlehrerin an einer normalen Regelschule. Eine Schule mit 25 – 28 Schülern pro Klasse, ohne besonderes pädagogisches Profil, ohne besondere Ausstattung und Personal. An solchen Schulen habe ich fast zehn Jahre lang als Klassenlehrerin gearbeitet. Ich möchte, dass du dich, egal an welcher Schule du arbeitest, damit identifizieren kannst und Ideen bekommst, wie du deinen Schulalltag noch mehr ritualisieren kannst.
Mit Ritualen richtig in den Tag starten

Vom Aufwachen bis zur Ankunft in der Schule hat jedes Kind einen unterschiedlichen Morgen verbracht. Manche Kinder wurden liebevoll geweckt, andere vor dem Fernseher geparkt. Manche Kinder haben gefrühstückt, andere haben es gerade so geschafft, sich rechtzeitig anzuziehen. Manche Kinder hatten am Morgen Streit, andere haben noch schnell ihre Hausaufgaben gemacht. Manche Kinder wurden mit dem Auto gebracht und andere sind mit der besten Freundin zu Fuß gelaufen.
Ich habe mir dies immer sehr bewusst gemacht und wenn ich vor Schulbeginn die Kinder beim Ankommen auf dem Schulhof beobachtet habe, konnte ich dies auch genau sehen. Vielen Kindern sah man direkt an, dass sie noch nicht lernbereit sind. Daher habe ich vor vielen Jahren schon für mich entschieden, dass ich mich nicht dem Rhythmus der Schulklingel anpassen werde, sondern einen eigenen Rhythmus, einen individuelleren Rhythmus finden möchte.
Offener Anfang
Offener Anfang bedeutet für mich, dass wir den Schulanfang offen und frei gestalten und nicht mit einem bestimmten Unterrichtsfach oder -thema. Die Schüler sollen sich frei bewegen und selbst entscheiden, womit sie in den Tag starten.
Mit der Schulklingel betreten die Kinder an (den meisten) Regelschulen das Schulgebäude, hängen ihre Jacken an den Haken im Flur und dann: Hinsetzen, Federtasche auspacken, Unterricht.
Damit ich den offenen Anfang etablieren konnte, musste ich nur eines erreichen. Ich bitte meine Schulleitung darum, immer die erste Stunde jedes Tages selbst in der Klasse sein zu können. Da ich ohnehin immer die meisten Fächer selbst unterrichte, war dies kein Problem und selbst wenn es mal an einem Tag nicht klappt, kannst du den Schulanfang ja trotzdem an den anderen Tagen öffnen.
Ich begrüße meine Schüler schon im Flur. Es ist ein erster Moment des Austausches, manche Schüler schenken mir eine Umarmung oder winken mir freudig zu.
“Schau mal, Frau…, ich habe neue Schuhe.”
“Können wir heute das Plakat weitermachen?”
“Hast du auch den Regenbogen gesehen?”
Unterhaltungen unterschiedlichster Art entstehen. Wer an der Garderobe fertig ist, geht in den Klassenraum.
Im Klassenraum spielt sich nun folgendes Bild ab: Zwei Mädchen machen Gymnastik-Übungen, die sie gestern gelernt haben und einige Kinder schauen zu. Eine Gruppe Kinder versammelt sich um die Harry Potter Zeichnungen eines Mitschülers. Einige Kinder sitzen an ihren Plätzen. Sie frühstücken oder beenden Aufgaben vom Vortag. Manche schreiben im Schreibschrift-Heft oder machen Spiele aus der Mathe-Ecke. Ein Junge malt an seinem Kunstbild weiter und eine Gruppe Kinder sitzt in der Leseecke.
Und was mache ich? Das ist genauso individuell wie bei den Kindern. An manchen Morgen frühstücke ich meine Haferflocken oder trinke Tee. Manchmal bereite ich den Klassenraum auf den Schultag vor, mache ein Tafelbild oder hänge einen Wortspeicher auf. Wenn es sich anbietet, arbeite ich Aufgaben mit einem Kind nach, das den Tag zuvor gefehlt hat oder etwas noch nicht verstanden hat. Und an manchen Tagen setze ich mich zu den Kindern, beobachte oder unterhalte mich.
Es ist wichtig, dass du den offenen Anfang auch für dich annimmst und du nicht gestresst auf die Uhr schaust, weil du nun endlich anfangen willst. Oder der offene Anfang wird zur Nachhilfestunde, in der die Kinder überwiegend korrigieren und nacharbeiten sollen. Entspanne dich! Und ist das Ritual neu für dich, nimm dir einen Tee und besonders in den ersten Wochen die Zeit, deine Klasse zu beobachten, die neu entstehende Freiheit und Dynamik zu betrachten. Gibt es Dinge, die du ansprechen musst? Gelten auch während des offenen Anfangs bestimmte Regeln?
Morgenritual
Nach dem offenen Anfang beginnen wir mit dem Morgenritual. Das Morgenritual wird von den Kindern selbstständig angeleitet und findet daher auch statt, wenn ich mal nicht da sein sollte. Über die wöchentliche Verteilung der Klassendienste legen wir fest, wer für das Morgenritual zuständig ist.
Nach dem offenen Anfang ertönt ein Gong und die Kinder suchen sich einen Platz in der Klasse. Die beiden Verantwortlichen kommen nach vorne und begrüßen alle.
“Guten Morgen alle zusammen.”
“Einen schönen guten Morgen.”
“Hallo liebe Klasse.”
Was auch immer sich für die Kinder passend anfühlt.
Dann besprechen sie das Datum, das Wetter und die Anwesenheit.
“Heute ist Montag, der 7. April 2025. Es ist sonnig und warm. Die Temperatur beträgt 18 Grad. Heute sind 24 Kinder da. Luka und Anne fehlen.”

Ein altes Bild aus meinem eigenen Klassenraum mit dem Kalender unten rechts
Warum ich das so mache? Schon ab der ersten Klasse machen wir uns die Wochentage bewusst, die Kinder lernen ganz natürlich die Monate und wie das Jahr aufgebaut ist. Im Klassenraum hängt ein Kalender, an dem die Kinder das aktuelle Datum anpinnen. Manchmal ergänze ich Dinge wie die Jahreszeit beim Jahreszeitenwechsel oder sage ihnen, dass in einer Woche Ferien sind oder sie heute Nacht den Vollmond sehen können. Außerdem haben die Kinder Freude daran, das Wetter zu bestimmen und vielleicht sogar die Temperatur zu messen. Alles Dinge, die uns dabei helfen, unsere Umgebung bewusst wahrzunehmen. Vom Verlag an der Ruhr gibt es die passenden Classroom Management Karten (*Affiliate-Link).
Zum sozialen Miteinander in der Gruppe gehört in meinen Augen außerdem, dass wir unsere Mitmenschen offen wahrnehmen und dazu gehört es zu realisieren, wer heute nicht dabei ist. Auf mathematischer Ebene interessant ist dabei auch die individuelle Herangehensweise von Erst-und Zweitklässlern. Manche Kinder zählen die Anwesenden ab und manche subtrahieren von der vollen Schülerzahl einfach die fehlenden Kinder.
Nach der Begrüßung durch die beiden Kinder kommen wir zum Gefühlswetter. Wie das funktioniert, kannst du HIER nachlesen und dir das passende Material kostenlos herunterladen.
Mit Ritualen Verantwortung an die Kinder abgeben
Wie schaffen wir es, in einer Klasse von 27 Erst- und Zweitklässlern den Überblick zu behalten und nicht völlig fertig und gestresst in den Feierabend zu gehen? Einzig durch die Etablierung von Ritualen, die die Schüler mehr in die Verantwortung nehmen und ihre Selbstständigkeit fördern. Denn dadurch bist du nicht länger ein Alleinunterhalter, der permanent strukturiert und die Fäden zieht. Du gibst gezielte Impulse und die Kinder wissen selbst, wie sich bestimmte Abläufe gestalten und warten nicht länger auf deine Erlaubnis oder Vorgaben.
Gibt es bei dir feste Abläufe, wie nach dem Kunstunterricht der Platz aufgeräumt wird? Gibt es klare Vereinbarungen, was man tun kann, wenn man mit der Aufgabe fertig ist?
Können sich die Kinder ohne deine Hilfe in den Sitzkreis setzen? Wie viele Kinder haben in der Leseecke Platz? Was kann ich tun, wenn ich etwas nicht verstanden habe?

Fertig-Ablage
Kennst du das auch? Jede beendete Aufgabe, jedes Lernprodukt möchte gezeigt werden. Besonders bei Projekten oder freien Unterrichtsphasen, wenn alle Kinder an unterschiedlichen Bereichen arbeiten, kommt das oft vor. Ständig kommt jemand zu, um dir ein Arbeitsergebnis zu zeigen. Das ist ja eigentlich schön, denn die Kinder sind stolz auf ihre Ergebnisse und möchten dich daran teilhaben lassen. Allerdings bist du vielleicht gerade mit anderen Dingen beschäftigt, erarbeitest zum Beispiel mit einer kleinen Gruppe eine Präsentation.
Die Fertig-Ablage ist ein Ablagekorb im Klassenraum, in den die Kinder jederzeit alles hineinlegen können, das sie mir zeigen möchten. Sie können sich darauf verlassen, dass ich dort im Laufe des Schultages hineinschaue. Rückmeldungen, meist direkt ins Heft oder als Post-Its bekommen die Kinder dann auf ihren Tisch gelegt.
In die Fertig-Ablage kommen die Forscherhefte hinein, wenn nach der Forscherphase ein Kind seinen Arbeitsschritt zeigen möchte. Es kommen Lernprodukte oder Arbeitsergebnisse aller Art hinein, die zum Beispiel zuhause oder beim offenen Anfang erstellt wurden. Mitunter legen die Kinder dort Briefe oder Bilder für mich hinein.
Wochenübersicht
Im Klassenraum hängt eine magnetische Tafel. Dort finden die Kinder alle Aufgaben, die ich für die Woche anrege. Es handelt sich dabei nicht um einen Wochenplan, der abgearbeitet werden muss, sondern lediglich um Anregungen. Die Kinder schauen auf die Tafel, wenn sie eine Aufgabe beendet haben und noch Zeit haben bis zur Pause, in Freiarbeitsphasen, wenn sie keine eigene Idee haben oder beim offenen Anfang. Seitdem es die Wochenübersicht gibt, höre ich kein “Ich bin fertig. Was soll ich jetzt machen?” mehr. Mitunter regen die Ideen an der Tafel sogar zu neuen Aufgaben und Spielen an, die sich die Kinder selbst ausdenken.
Anfangs habe ich die Tafel in Unterrichtsfächer unterteilt, mittlerweile mache ich das nicht mehr, weil sich nicht alle Anregungen in eine Fächer-Schublade packen lassen.
Helfersystem
Je offener du deinen Unterricht gestaltest, desto häufiger kommen die Lernenden mit ganz individuellen Fragen. Und mitunter braucht ihr für die Beantwortung oder Hilfestellung auch etwas mehr Zeit. Die Zeiten sind vorbei, in denen die Lehrperson durch die Klasse läuft und schnell hintereinander die Verständnisfragen für die vorgegebene Schulbuchseite beantwortet.
Durch das Helfersystem nimmst du den Druck heraus und deine Schüler mehr in die Verantwortung. Du hast mehr Zeit, eine wirklich individuelle Hilfestellung zu geben.
Es funktioniert so. Jeder, der Hilfe braucht, schreibt seinen Namen an die Tafel (oder an ein Board, das du für das Helfersystem bereitgestellt hast) und beschäftigt sich in der Zwischenzeit mit etwas anderem. Nun kommt es im Lernprozess der Kinder immer dazu, dass einige Kinder gerade eine eigene Aufgabe beendet haben oder es einen Leerlauf gibt. Diese Kinder dürfen nun, sofern sie Lust haben, einem Mitschüler helfen. Sie fragen diesen zunächst, wobei er oder sie Hilfe braucht und wenn sie behilflich sein können und wollen, unterstützen sie.
Die Vorteile für mich: Ich als Lehrperson bin durch das Helfersystem weniger unter Druck und kann genau wie die Lernenden meine Hilfe anbieten, wenn ich die Möglichkeit dazu habe. Ich weiß aber auch, dass sich diejenigen, die Hilfe brauchen, mit etwas anderem beschäftigen und nicht einfach warten.
Die Vorteile für die Lernenden: Durch die gegenseitige Unterstützung wächst die Klassengemeinschaft noch mehr zusammen. Wir kommen weg vom schulischen Konkurrenzdenken und schaffen eine unterstützende, wertschätzende Lernatmosphäre. Helfen macht Spaß! Es tut gut, einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Die Kinder gewinnen an Selbstbewusstsein und übernehmen Verantwortung für sich und andere. Letztlich bekommen sie einen Einblick in das, was ihre Mitschüler tun, was sie bewegt und wie sie denken.
Kleine Rituale und Vereinbarungen mit großer Wirkung

Kleine Rituale sind all die Zeichen und Vereinbarungen, die uns als Lehrpersonen im Schulalltag unterstützen und die Unterrichtsphasen strukturieren. Ohne diese kleinen Rituale musst du viel mit deiner Stimme regulieren, Ankündigungen und Ansagen machen.
- Ich kann mit Hilfe der Klangschale um Aufmerksamkeit bitten oder indem ich die Stimme erhebe.
- Ich kann jedes Mal diskutieren, wie viele Kinder in die Leseecke passen oder mit den Kindern eine Vereinbarung treffen.
- Ich kann die Klasse immer wieder am Tag nach dem Kunstunterricht daran erinnern, die Wasserfarben wegzuräumen oder ein Erinnerungs-Schild aufhängen.
- Ich kann ein Leseritual nach dem Bücherei-Besuch etablieren oder jedes Mal wieder neu überlegen, wie ich diese Stunde gestalten soll.
Aufräumen
Wir haben eine sogenannte Aufräum-Musik. Ich spiele die Musik ab, wenn eine Unterrichtsphase beendet ist und ich möchte, dass die Kinder ihre Materialien und ihren Platz aufräumen. Die Kinder kennen das Lied genau und das Aufräumen beschränkt sich auf die Dauer des Liedes.
Abtauchen
Die Kinder kreuzen ihre Arme auf dem Tisch und legen den Kopf darauf ab. Das Abtauchen bringt in den verschiedensten Momenten Ruhe in die Klasse. Ich sage zum Beispiel “abtauchen”, wenn ich einen Impuls gegeben habe und ich möchte, dass die Kinder einen Moment darüber nachdenken. Mitunter zeigen die Kinder auch mit dem Abtauchen, dass sie fertig sind, wie beispielsweise beim Diktieren eines Diktats. Dann tauchen die Lernenden ab, sobald sie die diktierte Stelle aufgeschrieben haben. Oder die Kinder machen eine kurze Partnerübung, wie das gegenseitige Abfragen von Einmaleins-Aufgaben und tauchen ab, sobald sie diese Übungsphase abgeschlossen haben.
Aufmerksamkeit
Wie bekommst du die Aufmerksamkeit der Klasse, ohne die Stimme erheben zu müssen? Die meisten Lehrpersonen nutzen mittlerweile einen Gong oder einen Klangstab. Das ist ohne Zweifel ein wirkungsvolles und angenehmes Zeichen, dennoch wird es manchmal nur passiv von den Kindern wahrgenommen. Eine schöne Alternative ist es, einen Klatschrhythmus vorzugeben, den die Klasse dann nach klatscht. Du kannst es bei einem Rhythmus belassen oder als kurze Entlastung und Bewegungspause noch weitere Rhythmen mit den Kindern klatschen. Im Anschluss sind meist alle Kinder aufmerksam und lernbereit.
Rituale zum Wochenabschluss
Der Freitag hat bei uns immer einen ganz besonderen Rhythmus, auch von der Stimmung her ist dieser Tag besonders. Wir kommen schon am Freitag gemeinsam in die entspannte Wochenendstimmung, erkennen dankbar an, was uns die Woche alles bereitet hat.
Wochenreflexion
In Zusammenhang mit unserem Lerntagebuch machen die Lernenden eine schriftliche und mündliche Wochenreflexion. Zunächst beginnen sie mit dem schriftlichen Teil und arbeiten mit einer Vorlage, die ich je nach Woche und differenziert anpasse. Wenn du mehr zur Wochenreflexion erfahren möchtest, empfehle ich dir meinen Blogartikel Reflexion in der Grundschule: Hilfsmittel, Techniken und Unterrichtsmaterial.
Herz und Blitz

Außerdem treffen wir uns freitags immer im Sitzkreis zu einem Ritual, das ich Herz und Blitz genannt habe. Man könnte sagen, dass es eine Vorstufe zum Klassenrat für die Kinder der Schulanfangsphase ist. Alles, was du dafür brauchst, ist eine Herzkarte und eine Karte mit einem Blitz darauf. Die Kinder sagen nun reihum, wofür sie in der Woche dankbar sind (Herz) und was sie gestört oder geärgert hat (Blitz). Mit der Blitzkarte verbinden sie dann einen Wunsch.
Mögliche Sätze können lauten:
“Mein Herzmoment in dieser Woche war, als…” oder “Ich bin dankbar für…”
“Ich habe mich geärgert/ war traurig, als…”
„Für nächste Woche wünsche ich mir, dass..”
Ich mag das Ritual, weil zum Wochenabschluss wirklich nichts unausgesprochen bleibt und auch Kinder, die sonst nicht so viel sagen, den Raum und die Zeit bekommen, sich mitzuteilen. Im Zusammenhang mit der Herzkarte kultivieren wir ein Dankbarkeitsritual und die Kinder lernen, den Fokus auf die positiven Dinge zu lenken.
Auch Streits am Nachmittag, die im Hort nicht richtig aufgearbeitet wurden, finden hier ihren Platz und verbunden mit dem Wunsch kommen wir immer zu einem positiven Ausblick. Der versöhnliche Wunsch ist auch wichtig, wenn ein Kind einen Blitz konkret in Bezug auf ein anderes Kind äußert. “Es macht mich traurig, dass Paul immer meine Schuhe versteckt, wenn wir zur Hofpause gehen. Ich wünsche mir, dass er sie einfach stehen lässt.”
Die Situation ist vergangen und niemand kann rückgängig machen, was passiert ist. Dennoch können beide Parteien durch den Wunsch wieder zusammen finden und eine versöhnliche Vereinbarung für die kommende Woche finden. Außerdem geht es nicht darum, Paul anzuklagen. Es ist vielmehr eine Möglichkeit auszudrücken, wie man sich durch das Verhalten des Anderen fühlt. Auch Paul hat natürlich die Möglichkeit, sich dazu zu äußern, etwas klarzustellen oder sich zu entschuldigen.
Meditation
Dieses Ritual ist nicht unbedingt auf den Freitag beschränkt, sondern wir machen es immer, wenn wir eine Ruhepause vom lauten, anstrengenden Schulalltag brauchen. Ich nutze dafür mein Zaphir Klangspiel (*Affiliate-Link).
Alle Kinder tauchen auf ihrem Tisch ab, das heißt, sie legen ihren Kopf auf die gefalteten Arme ab. Ein Kind bekommt das Klangspiel und bewegt sich durch den Klassenraum. Durch die vorsichtige Bewegung des Kindes ertönen die schönen Klänge des Klangspiels. Irgendwann bleibt das Kind hinter dem Stuhl eines Mitschülers stehen (die Klänge verstummen). In der Regel hört/ spürt das jeweilige Kind, dass hinter ihr/ihm gestoppt wurde. Es dreht sich um, übernimmt das Klangspiel und geht durch die Klasse. Das erste Kind taucht am freigewordenen Platz ab.
Es entsteht eine wunderschöne Ruhe und Fokus auf die Klänge des Klangspiels. Wir machen dies meist so lange, wie die Ruhe und Entspannung anhält. Ich plane aber mindestens eine halbe Stunde Zeit dafür ein, die wir auch fast immer brauchen. Danach sind alle so ausgeglichen und haben ein glückliches, entspanntes Lächeln im Gesicht.

Meine 5 Tipps zur Einführung von Ritualen
#1 So einfach wie möglich
Halte deine Rituale bewusst einfach und klar strukturiert. Je komplizierter ein Ritual ist, desto schwieriger wird es für die Kinder, es selbstständig durchzuführen. Beginne mit wenigen, gut durchdachten Ritualen und baue sie nach und nach aus. Achte darauf, dass die Rituale ohne großen Materialaufwand umgesetzt werden können. So sind sie auch in stressigen Phasen oder bei personellen Engpässen durchführbar.
#2 Zeit
Gib jedem Ritual die Zeit, die es braucht, um zu wirken. Rituale sollten nicht hastig „abgearbeitet“ werden, sondern mit Ruhe und Bewusstsein durchgeführt werden. Plane dafür feste Zeitfenster ein, die du nicht unter Druck kürzt. Besonders am Anfang brauchen neue Rituale mehr Zeit – diese Investition lohnt sich aber, weil gut etablierte Rituale später Zeit sparen und den Unterrichtsalltag reibungsloser gestalten.
#3 Regelmäßigkeit
Konsequenz ist der Schlüssel zum Erfolg. Rituale entfalten ihre volle Wirkung nur, wenn sie regelmäßig und verlässlich durchgeführt werden. Achte darauf, dass die etablierten Rituale nicht ständig ausfallen oder verschoben werden. Selbst wenn du mal einen schlechten Tag hast oder unter Zeitdruck stehst – halte an den wichtigsten Ritualen fest. Die Kinder werden es dir danken, denn gerade in unruhigen Zeiten geben die vertrauten Abläufe Sicherheit.
#4 Flexibilität bewahren
Trotz aller Regelmäßigkeit solltest du offen bleiben, Rituale anzupassen oder weiterzuentwickeln. Beobachte, wie die Kinder auf die Rituale reagieren und sei bereit, Anpassungen vorzunehmen, wenn etwas nicht gut funktioniert. Auch die Bedürfnisse der Klasse können sich im Laufe des Schuljahres ändern. Ein Ritual, das zu Beginn des Schuljahres perfekt passte, muss vielleicht nach einigen Monaten modifiziert werden.
#5 Kinder einbeziehen
Lass die Kinder bei der Gestaltung und Weiterentwicklung der Rituale mitwirken. Wenn sie ihre eigenen Ideen einbringen können, identifizieren sie sich stärker mit den Ritualen und führen sie mit mehr Begeisterung durch. Frage regelmäßig nach, welche Rituale den Kindern besonders wichtig sind und welche sie vielleicht verändern möchten.
Fazit
Rituale sind keine Zeitverschwendung, sondern eine Investition in eine entspannte und produktive Lernumgebung. Sie unterstützen nicht nur die Kinder in ihrer Entwicklung zu selbstständigen und verantwortungsbewussten Menschen, sondern erleichtern dir als Lehrperson den Schulalltag erheblich.
Was mich immer wieder beeindruckt: Mit der Zeit werden viele Rituale von den Kindern selbst eingefordert und weitergetragen. Wenn eine Vertretungslehrerin kommt und das Morgenritual vergisst, sind es oft die Kinder, die darauf bestehen, es dennoch durchzuführen. Das zeigt, wie wichtig diese wiederkehrenden Elemente für sie sind.
Nicht jedes Ritual passt zu jeder Klasse oder jedem Lehrstil. Experimentiere, finde heraus, was zu dir und deinen Schülern passt, und entwickle eigene Rituale, die deinen Unterricht bereichern. Denk daran: Auch du als Lehrperson solltest dich in den Ritualen wohlfühlen, denn nur dann strahlst du die nötige Authentizität und Überzeugung aus, die die Kinder brauchen, um die Rituale anzunehmen.
Mit einem durchdachten System aus Ritualen schaffst du nicht nur eine strukturierte Lernumgebung, sondern auch mehr Raum für das, was wirklich zählt: die individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes und die Freude am gemeinsamen Lernen.
Hast du weitere Rituale aus deinem Unterricht in der Grundschule, die du mit anderen Lehrern teilen möchtest? Schreib es mir in die Kommentare oder per Email!
Deine Tatiana
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