Eine Schülerin, die unglücklich aussieht (Beitragsbild Newsletter März 2025)

Die (negativen) Folgen von Schule (Newsletter 3/2025)

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Hallo ihr Lieben,

Einen Februar-Newsletter gab es nicht. Allerdings ein Februar-Baby! Unsere zweite Tochter Elli ist Anfang Februar geboren und ich bin ein zweites Mal in die Neugeborenen-Welt abgetaucht, in der man nur schlafen, essen und kuscheln im Kopf hat. Heute morgen kamen mir zum ersten Mal wieder Ideen und Gedanken, die ich im März-Newsletter mit euch teilen möchte.

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In diesem Newsletter erfährst du…

…was die Schule mit der aktuellen gesellschaftlichen Situation zu tun haben könnte, 
…warum es auch in unserer eigenen Schule Rituale und Strukturen braucht und
…meine Entdeckungen beim gestrigen Waldspaziergang.

Die (negativen) Folgen von Schule

In der Schule sagt man uns, dass wir still sitzen müssen. Wir sollen nur sprechen, wenn wir dazu die Erlaubnis bekommen haben. Wir sollen innerhalb der Linien ausmalen und auf den Schreiblinien schreiben. Man sagt uns, wir sollen die Regeln befolgen und nicht hinterfragen. Wir verlangen von den Kindern, sich anzupassen und zurückzuhalten.  

Eine Schülerin, die unglücklich aussieht (Beitragsbild Newsletter März 2025)

Später, nach der Schule, erwarten wir dann, dass sie die Welt bewegen und eigenständige Entscheidungen treffen. Wir wünschen uns, dass sie ihre Stimme erheben und mutig genug sind, Regeln zu brechen. Wir hätten gerne, dass sie herausstechen und für ihre Träume kämpfen. 

Aber wie soll das gehen? Wie können wir erwarten, dass sie mutig, kreativ und frei sind, wenn wir ihnen beibringen, leise, vorsichtig und angepasst zu sein? Wie können wir erwarten, dass sie selbstständig ihr Leben in die Hand nehmen, wenn sie in der Schule jahrelang den Entscheidungen der Lehrpersonen folgten? 

Mir ging es nicht anders, nachdem ich gerade mein Abitur gemacht hatte. Ich war eine gute Schülerin. Das heißt, ich war gut an das System angepasst, meldete mich sogar im Unterricht, wenn ich nicht wirklich etwas zu sagen hatte, nur weil ich wusste, dass man es von mir erwarten würde. Ich machte mir mehr Gedanken darum, was meine Lehrer hören wollten, als was ich wirklich fühlte und dachte. Mein Leben als Schülerin war komfortabel. Ich musste mir keine Gedanken machen, wie mein Tag strukturiert war, wann ich aufstand oder ins Bett ging, denn das war alles von der Schule vorgegeben. Ich musste nicht einmal selbst überlegen, womit ich mich beschäftigte, denn das stand auch im Stundenplan…erste Stunde Biologie, dann Deutsch, dann Mathe und so weiter. Auch die Themen standen fest. 

Und nach der Schule? Nach der Schule erlebte ich eine große Leere. Ich hatte vergessen, was mich begeistert, wusste nicht, wie ich mein Leben gestalten wollte. 

So beeinflusst und prägt das System Schule, wie es aktuell ist, nicht nur das persönliche Leben so vieler Menschen, sondern auch eine ganze Gesellschaft. Doch durch deine eigene Haltung und die Art, wie du mit deinen Schülern umgehst, kannst du sie unterstützen, auch in der Schule mutig und frei zu sein. 

Einige Beispiele für eine selbstbestimmte, schülerzentrierte Klassenführung sind 

(1) Lernwerkstätten und Projekte, bei denen die Lernenden ihre Themenbereiche und Lernprodukte selbst wählen dürfen, 

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(2) freie Kunststunden, in denen die Kinder ohne jegliche Vorgaben künstlerisch aktiv sind, und 

(3) flexible Klassenräume, in denen die Kinder ihren Arbeitsplatz nach eigenen Bedürfnissen wählen und gestalten können. 

Auch das wirkliche, authentische Interesse an den Gefühlen und Bedürfnissen der Lernenden gehört zu einer solchen Lernatmosphäre. Rituale, wie das Gefühlswetter, können dich dabei unterstützen.

Eindrücke eines weiteren Schulbesuchs

Im Januar, kurz vor der Geburt von Elli, habe ich mal wieder eine Schule besucht. Es ist eine Schule, die von Eltern aus der Home- und Unschooling Community ins Leben gerufen wurde. Ich hatte mir vorgestellt, hier Verbündete für unser Schulprojekt zu finden und Ideen für die Umsetzung. 

Den Eltern gefällt an dieser Schule, dass die Kinder frei sind. Es gibt keinen vorgegebenen Zeitpunkt, wann ein Kind alle Buchstaben kennen oder schriftlich multiplizieren kann. Die Kinder sind viel draußen, entdecken ihre Umgebung, pflanzen Gemüse an und stochern im Teich auf dem Schulgelände. Die Kern-Unterrichtszeit ist sehr kurz und es bleibt ganz viel Zeit für die eigene Entfaltung. 

Zwei Schüler, die im Chaos des Klassenraums Bücher auf dem Kopf balancieren

Dies sind alles Ideen und Ansätze, die mir sehr gut gefallen und ich wollte den Schulbesuch nutzen, um zu sehen, wie dies realisiert wird. Leider fehlte es an jeglicher Struktur und der Schulalltag war sehr chaotisch. Viele Kinder verloren sich regelrecht in dieser Freiheit und fehlende Rituale führten dazu, dass noch nicht einmal der Morgenkreis eine verbindende und harmonische Phase war. Die Lehrperson wurde laut und versuchte so, die Aufmerksamkeit der Kinder zu erlangen. 

Durch das Chaos entstand noch mehr Unruhe und die Lehrerin kündigte Strafen an, die sie aber nicht umsetzte. Dann mischte sich die zweite Lehrerin (oder Mutter?) ein und machte alles nur schlimmer. Später durfte ich an einer “Mathestunde” für die Großen teilnehmen und bemerkte mehr als einen fachlichen Fehler. Es ging um Stellenwerte und die Umsetzung der Lehrerin war so abstrakt und kompliziert, dass ich ihr gerne einige mathe-didaktische Ratschläge gegeben hätte.

Im Anschluss an den Unterricht sprach ich die Leiterin zum Curriculum an, denn das Thema der Mathestunde war nicht in ein Projekt oder ähnliches eingebettet, und ich konnte mir den Sinn der Stunde nicht erklären. Sie sagte, dass sie die Themen einfach frei aussucht, wie sie ihr sinnvoll erscheinen, und sie müsse das noch in einem “richtigen” Curriculum festhalten.

Was mir an der Schule gefallen hat:

  • Klassenräume mit großen Fensterfronten und vielen flexiblen Sitzgelegenheiten (auch auf dem Boden)
  • Keine Trennung in Klassenstufen, sondern Angebote nach flexiblen Niveaustufen
  • Keine Noten, Hausaufgaben oder Klassenarbeiten
  • Außenbereich mit vielen Möglichkeiten zum Verstecken, Entdecken und Spielen

Was ich in meiner eigenen Schule anders machen möchte:

  • Ein Curriculum nicht aus Inhalten, sondern aus Projekten erstellen
  • Rituale und Strukturen etablieren, die von den Kindern verinnerlicht und umgesetzt werden, wie zum Beispiel ein Morgenkreis, der von den Kindern selbst angeleitet wird
  • Eine vorbereitete Lernumgebung für drinnen und draußen schaffen: Räume zur Verwirklichung eigener Ideen und Interessen, wie zum Beispiel ein Kunstatelier, einen Barfußpfad, Musikinstrumente oder Theaterrequisiten

Übrigens, diese drei Aspekte habe ich in Teilen auch schon in meiner Klasse an der Regelschule umgesetzt. Besonders im Bereich der Rituale und Strukturen habe ich die Erfahrung gemacht, dass schon kleine Rituale große Auswirkungen auf den Schulalltag haben können. Wenn du mehr erfahren willst, was ich konkret meine, wirst du dies in einem der nächsten Blogartikel nachlesen können. Ich verlinke ihn dir im nächsten Newsletter.

Eine Welt für kleine und große Entdecker

Drei Schüler, die im Wald die Vielseitigkeit der Natur entdecken

Es sollte ein kurzer Waldspaziergang am Nachmittag werden, weil wir es den ganzen Tag noch nicht nach draußen geschafft haben. Wir entschieden uns für einen 2 km Rundweg im Wald eines Nationalparks. Ich hatte Elli in der Trage und Mila wollte laufen. 

Am Tag zuvor hatte es geregnet und der Wald empfing uns mit einem feucht-frischen Geruch nach Moosen, Kräutern und Holz. Überall aus dem Waldboden wuchsen die verschiedensten Pilze. Winzig kleine, runde rote Pilze, Pilze mit einem weiß-roten, sternförmigen Pilzhut, riesengroße, mit weißen gefalteten Hüten, die wie Sonnenschirme aussahen und viele mehr. Wir sahen umgestürzte Bäume, die mit dem kompletten Wurzelkranz auf dem Waldboden lagen und überlegten uns, welche Tiere in den vielen Baumhöhlen und Erdlöchern wohl lebten. Es war wunderschön, Milas Begeisterung zu sehen, wie sie gemeinsam mit uns auf Entdeckertour ging.

Auch hier musste ich wieder an unsere Schule denken und daran, was ein “einfacher” Waldspaziergang im Gegensatz zu einer Lektion im Klassenraum bewirken kann. Es war eines der vielen Beispiele, wie wir natürlich lernen, wenn uns etwas begeistert und interessiert. Mit unseren Schülern können wir diese Begeisterung aufgreifen, indem wir sie dazu einladen, verschiedene Pilze zu zeichnen, gemeinsam Waldwörter zu schreiben oder die unterschiedlichen Pilze zu bestimmen.

Der Winter ist vorbei und ich lade dich dazu ein, so oft wie möglich den Klassenraum zu verlassen und die Welt draußen zu entdecken und zu erforschen. Viel Spaß dabei!

Deine Tatiana

P.S. Ich freue mich auch über dein Feedback oder Fragen zum Newsletter per E-Mail. Hast du bereits Unterrichtsmaterial von mir gekauft und im Unterricht eingesetzt? Dann freue ich mich über deine Bewertung auf Eduki!

Meine Unterrichtsmaterial-Empfehlungen für dich

Für mehr Selbstbestimmung im Unterricht: Mit dem Demokratie-Projekt bekommst du eine Lernwerkstatt, die deinen Schülern die Freiheit gibt, ihren Interessen entsprechend zu arbeiten. Der Fokus liegt nicht auf dem Abarbeiten von Themenbereichen, sondern auf den prozessbezogenen Kompetenzen Präsentieren, Diskutieren, Organisieren und Forschen. Innerhalb dieser Kompetenzen dürfen sich die Schüler in der Lernwerkstatt oder bei der Erforschung eigener Fragen zur Demokratie bewegen.
Hier geht’s zum Material:
Materialpaket Demokratie Klassen 1-6
Demokratie-Projekt für die Klassen 1 und 2
Demokratie-Projekt für die Klassen 3 und 4
Demokratie-Projekt für die Klassen 5 und 6

Auch durch die passende Wahl der Unterrichtsmethoden kannst du deinen Unterricht schülerzentriert gestalten. Etabliere ein Lerntempoduett für gegenseitigen Austausch und Feedback in deinem Klassenraum oder führe deine Schüler mit der Placemat Methode an die Durchführung von Gruppendiskussionen heran. Diese und mehr Methoden findest du in meinem Methoden-EBook.
Hier geht’s zum Material: Materialpaket Methoden für deinen Unterricht

Du bist auf der Suche nach dem Schlüssel zu einem individuellen, bedürfnisorientierten Unterricht, bei dem du die Lernvoraussetzungen deiner Schüler besser berücksichtigen, Hilfen individueller einbauen und ihnen mehr Freiraum geben kannst? Stell dir vor, du kannst deinen Schülern beim Denken und Lernen zusehen. Stell dir vor, du kannst genau nachvollziehen, was in ihren Köpfen vorgeht. Stell dir vor, du kannst wirklich verstehen, wie der Lernprozess bei jedem einzelnen Kind abläuft.
Hier geht’s zum passenden Material: Materialpaket | Reflexionen in der Grundschule

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